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Der 1. Renntag
Ralf Heckel
Tagebuch der Rovernauts (link)
Alles ist fertig. Der Rover steht schon im Fahrerlager. Er ist seit einem Jahr getestet und wieder getestet worden. Nichts kann mehr schief gehen. Der Pavillon ist aufgebaut und schick. Das Team ist zum Sicherheitsmeeting angetreten. Es sind über 1000 Schüler und Studenten da. Die Stimmung ist ausgelassen. Es gab sogar ein Dinner im Davidson Center unter der riesigen Saturn V Mondrakete. Der Morgen des 1. Renntages beginnt mit Sonnenschein. Unsere beiden Pilotinnen zeichnen ein breites und entspanntes Lächeln in ihre hübschen Gesichter. Also alles perfekt, sollte man meinen - nicht aber heute und auch nicht mit uns!
Schon am frühen Morgen blieb kein Fahrzeug auf dem Kurs heile. Nicht ein einziger Rover schaffte es bis 9 Uhr in das Ziel. Unser Team wog sich in Sicherheit und machte nochmal ein kurzes Training auf dem Rasen neben dem Fahrerlager. Da schlug auch schon die Fehlerhexe zu und die hatten ihren Besen den ganzen Tag über nicht in die Ecke gestellt. Eine Epoxyd-Klebestelle am Vorderachsantrieb löste sich und die Vorderachse drehte sich durch, ohne dass sich die Räder bewegten. So ein M…st!
Schnell ging es ohne Umwege in die Werkstatt. Nun lernen die Mädels und Jungs wie man sich an 3 Haaren kurz vor dem Starttermin noch aus dem Kakao zieht. Ich griff auf eine Lektion mit Schülern im Lehrstuhl für Festigkeitslehre im Moskau Luft- und Raumfahrt Institut zurück. Wenn man CFK und Metall fest verbinden möchte, braucht man viele kleine umschlossene Nieten. Zum Glück hatte die Pit-Crew kleine Federstifte und ein Sortiment dünner Bohrer da. Und so wurde nicht nur die Schadstelle bearbeitet, sondern gleich alle Klebestellen dieser Art. Es gelang. Cosma übernahm die Arbeit nach dem ersten Teil und das Team konnte dann sogar noch 15 Minuten früher zur Inspektion antreten.
Die Inspektion oder MRR (Mission Readiness Review) ging locker. Souverän meisterten unsere Pilotinnen alle Aufgaben. Nach einem Ausmessen des Rovers ohne Beanstandung, falteten sie ihn zusammen und trugen ihn 6 Meter weit. Er wurde dann gewogen. 85 Kilogramm. Danach wurde aufgeklappt, nach Zeitmessung, 8,9 Sekunden. Das war die schnellste Zeit des Tages. Wow! Dann ging es an die Startlinie.
Die Schlange am Start war bereits lang und das zog sich hin. Viele Team kamen nach dem Startsignal gar nicht vom Fleck, oder schoben schon nach dem 1. Hindernis. Ich verteile alle Mitglieder und Väter mit Kameras auf dem Kurs und wir warteten gespannt auf die Ansage: „Team Nummer 254, ready to go!“
Start! Wie vom Blitz getroffen schossen Cosma und Hazel davon, beide wieder mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Erschrocken sprangen die Zuschauer zur Seite und staunten „WOW!“. Die ersten 3 Hindernisse waren wie Butter. Cosma ließ sie einfach hinter sich. Jesco rennt bereits mit seiner Videokamera nebenher und sucht sich einen neuen Filmplatz. Nun kommt Hindernis, welches es in sich hat, eine Schräge. Viele Teams verwerfen dieses Hindernis oder rutschen seitlich in die Strohballen. Das gibt Strafpunkte. Cosma fährt sie seitlich im Bogen an. Kein Problem.
Nun kommt eine langgezogene Strecke. Aus Schotter. Der liegt nur dünn und unverdichtet auf dem durch die Unwetter aufgeweichtem Untergrund. Man merkt, dass dies Kräfte zehrt. Am Ende kommt ein mannshoher Berg. Da müssen sie drüber. Es klappt auch fast. Knapp vor dem Kamm bleibt der Rover stehen, zu spät geschaltet. Eigentlich aber kein Problem. Im 1. Gang kommt man da mit diesem Rover locker drüber. Cosma und Hazel schalten runter und pressen gleichzeitig ihre Füße in die Pedalen. Nun liegen auf der Vorderachse etwa 300 Newtonmeter an. Das ist das Drehmoment auf der Kurbelwelle eines LKW-Diesels. Die Ketten und das Differenzialgetriebe halten. Nun aber schlägt die Hexe ein zweites Mal zu. Mit einem lauten Knall verabschiedet sich der CFK-Antrieb in der Vorderachse. Beide Pedalen drehen durch. Mist!
Aber Cosma reagiert sofort, lässt den Rover rückwärts den Hang hinunterrollen und gibt Hazel Anweisungen. Aus der Mondmission wird nun eine Rettungsmission. Beide haben nur ein Zeitfenster von 8 Minuten und danach ist der „Sauerstoff aufgebraucht“. Also müssen beide irgendwie den Rover in das Ziel bekommen. Nur so gibt es noch Punkte für eine erfolgreiche Rückkehr. Hazel steigt ab und schiebt. Cosma lenkt. Unsere Jungs flitzen mit ihren Kameras nebenher. Genau! Nur so kann es ein Weiter geben.
Völlig ausgepowert und mit letzter Kraft bringt Hazel den Rover Ophelia mit Cosma an den Lenkhebeln in das Ziel. Beide sind nun wirklich ein Team und trotz allem überglücklich. Es gibt Wasser.
Während der ersten Betrachtung des Schadens fällt auf, dass ein Teil fehlt. Es ist die Keilwellen-Nabe. Eben jenes Teil, welches festgeklebt war und nun ab ist. Die CFK-Welle ist komplett gespalten und auf keinen Fall mehr zu gebrauchen. Wenn man hier noch etwas retten will, brauchen wir aber diese Keilnabe. Es ist ein metrisches Teil, welches man hier in den USA nicht kaufen oder nur mit sehr viel Aufwand herstellen kann. Ich schicke Jesco und Leander zurück zum Berg, um das walnussgroße Teil zu suchen. Die beiden finden es tatsächlich zwischen dem Schotter, klasse!
Nun also, aus einem entspannten Tag wird erstmal nichts. Krisensitzung. Es müssen 2 passende Rohre her, um das CFK-Rohr zu ersetzen, eine Drehbank und ein Schweißgerät. Cosma und Hazel machen sich sofort in die Spur uns suchen in Schrotkisten nach einem geeigneten Stahlrohr. Ich hingegen zeige den Jungs wie man das Differenzialgetriebe und die Antriebe ausbaut. Das Wetter wird unwirtlich, windig, regnerisch und kalt. Das macht aber nichts. Die beiden liegen unter dem Rover auf dem Rücken und demontieren.
Als das Getriebe ausgebaut und die Antriebe zerlegt waren, kamen auch schon die Mädels zurück und hatten tatsächlich etwas Passendes gefunden. Perfekt! Besprechung und ab damit zur Pit Area. Cosma managt das alles mit einem Dreher. Ich verschweiße und schleife die fertigen Teile dann und das Ergebnis sieht gut aus! Jesco und Leander bauen alles wieder ein. Alle sind stolz.
Inzwischen ist der Platz leer geworden. Nur noch wenige Teams sind da. Wir sind fertig, müssen aber nochmal eine Testfahrt machen. Cosma und Leander sollen den Rover ordentlich belasten. Das tun sie auch und schon wieder schlägt die Hexe zu – heute zum 3. Mal. Eine Presspassung im Antrieb löst sich. So etwas kann eigentlich nicht passieren. Diese X-Passung haben wir mit den Schülern selbst geschrumpft, mit Wärme und Trockeneis. Nie kann so etwas aufgehen, aber doch tatsächlich. Es ist so. Die Überraschungen reißen nicht ab.
Ich beruhige das Team. „Kein Problem, dann stehen wir morgen eine Stunde eher auf und schweißen das. Das kann ich auch ohne, dass wieder alles ausgebaut werden muss. Dauert nur 10 Minuten.
Felix Schlang schickt eine Nachricht: „Test, fail, fix, repeat!“ Und genau das ist es, dies ist eine Tertfahrt, die trotz 18-jähriger Erfahrung immer wieder neues hervorbringt. Morgen ist ein 2. Versuch.
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