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Der 2. Renntag
Ralf Heckel, 12. April 2025
Tagebuch der Rovernauts (link)
4 Platz in der Gesamtwertung
2 Platz im Rennen mit 3:47 min und allen Hindernissen
Most Improved Award, dotiert mit 500 $
Es ist Tag der Raumfahrt. Heute vor 64 Jahren startete Juri Gagarin in den Weltraum. Es gibt tatsächlich noch Menschen, die das bewusst miterlebten, für unsere Schüler ist das bei dieser Zeitspanne schon völlig unvorstellbar. Auch startete heute vor 44 Jahren der erste Space Shuttle STS-1, die Columbia. Für mich damals in der Schulzeit war das ein Wunderwerk der Technik und der Name ein Symbol der Zukunft. Leider kann man dieses Raumschiff anders, wie das von Gagarin heute nicht mehr im Museum besuchen (Wobei auch das heute fast unmöglich geworden ist und schon immer schwer war, nicht aber für uns bis 2020). Columbia ging im Januar 2001 auf tragische Weise mit 7 Astronauten während des Widereintritts verloren. Aber wir werden nächste Woche diese Gedenkstätte am Cape Canaveral besuchen.
Der Tag beginnt früh, fast zu früh. Nur schwer kommen die Schüler aus den Betten. Aber es scheint die Sonne und es zwitschern die Vögel. Es ist noch frisch. Heute ist der Tag auf den das Team und wir alle hingearbeitet haben. Tausende von Space Hotel Gästen haben einen Obolus gezahlt und zig Sponsoren haben sich engagiert. Hunderte von Veranstaltungen haben wir durchgeführt. Es war ein massiver Aufwand nötig um nach Corona, zwischen Kriegen und Wahlen sowie allerlei Falschnachrichten mit deren Verfechtern eine Zielspur zu finden. Heute trennt sich Gerede von Fakten.
Noch müde aber voller Erwartungen steigen alle in den Van und um 7:30 Uhr geht es los. Cosma und Leander steigen am Marriott-Hotel aus, um dort Hazel zu treffen. Die drei müssen sich beraten und entscheiden, wer heute auf dem Rover fährt. Hazel hatte keine ruhige Nacht, da in diesem Hotel die meisten Teams untergebracht sind. Die machen ordentlich Klamauk – eine Erfahrung, mit der wir uns grundsätzlich für ein ruhiges Ferienhaus in der Nähe entscheiden. Ihr Vater aber arbeitet bei der FAA (Flugsicherheitsbehörde) und braucht das Business-Center des Hotels.
Nur noch mit dem 11-jährigen Jesco geht es nun auf das Renngelände. Henning parkt den Van weit abseits und schafft uns damit ein Zeitfenster wegen des zeitraubenden Bus-Shuttles. Es müssen noch die Presspassungen der Antriebe in der Vorderachse geschweißt werden. Einer löste sich gestern Abend zum Training überraschend und drehte durch. Wir hatten die Achsen mit Trockeneis und Wärme eingepresst. X-Passungen nach DIN gelten als unlösbar, die Erfahrung ist nun eine andere. Zum Schweißen war aber die Werkstatt schon zu.
Stolz wie ein Bär führt Jesco den Rover bergab in die Werkstatt. Seine Beine sind noch zu kurz, deshalb liegt er mehr auf dem Fahrersitz wie auf einer Sonnenliege. Es sieht aus wie ein Microdrive mit Autopilot. Aber er steuert präzise und lenkt alle erstaunten Blicke auf sich. Manche Leute heben den Daumen. Schon aber ist er vorbei. Er nimmt davon keine Notiz. Sein ganzes Denken ist nun auf den Rover und seiner letzten Reparatur vor dem Rennen gerichtet. Das Zeitfenster ist kurz, in 2 Stunden müssen wir antreten.
Souverän hebt Jesco den Rover auf die Seite und bereitet den Schweißerplatz vor. Von der Pitcrew bekommt er ein Schweißer-Schild. Ich kleide mich ein und bewaffne mich mit der Schweißerpistole. Dann geht es los, kurze und kräftige Nähte von je 1 cm, mit Wasser abkühlen und nochmal. Rover wenden, fertig. Das waren noch Erfahrungen aus meiner Lehrzeit vor 40 Jahren. Jesco fotografiert und staunt. Dann kommt der Rover wieder auf die Seite und Jesco fährt ihn noch stolzer zurück. Nun muss er treten. Es geht bergauf. Das erregt noch mehr Aufsehen. Begeistert feuern alle Teilnehmer ihn an. Ich will helfen und schieben, komme aber nicht hinterher. Allein als Zwerg auf dem für ihn übergroßen Rover flitzt er davon bis zu unserem Pavillon. Ich weiß, dass das nicht einfach ist, bin aber machtlos. Nach Luft schnappend aber über alles strahlend steigt er ab und sagt: „Geht super!“
Inzwischen trifft das Fahrerteam ein, dazu unsere Erwachsenen. Es ist noch eine Stunde bis zum Startfenster, aber eine Entscheidung wer heute Co-Pilot ist, ist noch nicht gefallen. Das Team kann sich nicht entscheiden. Also wird das ausgelost. Cosma kürzt einen Kabelbinder und steckt sich 2 zwischen die Finger. Wer nun den Kürzeren zieht, hat gewonnen – jedenfalls einigt sich darauf das Team. Ich halte diesen Moment mit der Videokamera fest. Hazel zieht zuerst, dann Leander. Er hat den Kürzeren. Emotionen aber kommen keine. Alle fühlen sich betroffen zwischen Scham und Freude auf allen Seiten. Das wiegt sich auf. Es ist eben eine Entscheidung gefallen, die nicht anders zu beeinflussen war. Für mich ist das eine neue Erfahrung. Noch nie musste bisher in 18 Jahren ausgelost werden. Immer entschieden Leistung, Zeit und Fähigkeit. Dies war heute aber nicht einschätzbar.
Leander kleidet sich ein und Hazel flechtet Cosma einen Zopf. 9:45 Uhr geht es los zur Startlinie. Ich verteile letzte Foto- und Filmanweisungen und schicke alle übrigen Teilnehmer auf den Kurs. Jetzt sind Cosma und Leander allein auf sich gestellt. Da gibt es noch viel zu tun. Die 5 Bordkameras müssen zum richtigen gestartet werden. Akku und Speicher limitieren ein endloses Aufzeichnen. Es gibt 4 verschiedene Arten von Kameras und alle haben ihre Eigenheiten. Gestern wurde Hazel auf dem Kopf stehend gefilmt.
Dann ertönt die Startsirene. Firine (unsere Weltmeisterpilotin vor Cosma, zuletzt 2019 gefahren) schreibt: „Bei dieser Sirene bekomme ich heute noch erhöhten Puls“.
Cosma und Leander legen einen Killerstart hin. Der Rover schießt nach vorn und überfährt Hindernis 1 und 2. Bei dem 2. Hindernis, ein Krater, federt der Rover recht hoch. Danach aber wird er langsamer. Beide treten, aber die Geschwindigkeit stimmt optisch nicht überein. Cosma bemerkte das auch lautstark. Aber immerhin ging es. Und deshalb feure ich an „Weiter so!“ Ändern hätte man es eh nicht können.
Am Berg dann war Ende. Kein Weiterkommen. Zu groß muss die Verlustreibung sein. Cosma entscheidet sofort das Hindernis zu umfahren und muss rückwärts stoßen. Sie gibt Anweisungen. Durch das Rückwärtsfahren auf dem Berg schien sich der Fehler zu beheben (später verstehen wir, es renkte sich das Differenzialgetriebe wieder in seinen Lagersitz ein). Mit nur einer Pedalumdrehung bemerkt das Cosma, entscheidet wieder um, gibt Anweisungen und beide überfahren den Berg ohne Anlauf und als ob es diesen gar nicht gibt. So konnte die Fahrt unvermindert fortgesetzt werden.
Alle nun folgenden Hindernisse sind kein Problem. Ausgepowert und glücklich erreicht der Rover das Ziel nach 3:47 min. Nun beginnt aber das Bibbern um den 3. Platz. Mehr ist für uns wegen der von der Jury im Vorfeld ihre jegliche Transparenz vergebenen Punkte rechnerisch nicht drin. Den ganzen Tag bleibt unser Team auf Platz 3. Alle Teams mit einer Chance auf eine Konkurrenz sind durch, bis auf eines. Es ist das Team aus La Paz (Bolivien), welches seit 2015 unsere DNA trägt.
Deren Gründerin Alina war 16 Jahre jung, als wir sie zum Sommerworkshop 2015, also vor 10 Jahren nach Leipzig einluden. Mehrere Male war sie Teil unseres Teams und brachte diesen Erfolg mit nach Bolivien und in die dortigen TV-Shows. Heute arbeitet Alina als Ingenieurin in Kalifornien. Sie hinterließ beeindruckende Spuren in ihrem Land, sodass heute 4 Teams aus Bolivien den Weg zur NASA-Challenge gefunden haben – auch ohne uns!
Kurz vor dem Ende des Wettbewerbes trat dann endlich dieses Team an. Es geht für sie nun um alles. Sie stehen auf Platz 4. Und sie fuhren ohne Probleme durch. Damit wendete sich das Blatt in letzter Minute. Sie rutschen auf Platz 3 und wir auf Platz 4. Es geht nur um 2 Punkte. Ich bin stolz, für unser Team ist das allerdings kein Trost. Mit hängenden Flügeln betreten sie gegen 17 Uhr den großen Raum der Award Zeremonie.
Der Raum ist voll. Man hat gelernt und die Zwischenwand ist auf. Dennoch sind alle Plätze belegt. Vorn auf der Bühne steht ein Tisch mit einem großen Tuch und NASA-Symbol darauf. Da stehen viele Awards aus Glas und einige Award-Tafeln liegen daneben. Neugierige Blicke kleben immer wieder daran fest. Endlich betritt der STEM-Chef des MSFC die Bühne, begrüßt und übergibt an den MC (Master of Ceremony). Das ist der Moderator, der durch den Abend führt. Die Stimmung ist klasse und nimmt auch unser Team mit. Am laufenden Band werden Preise und Awards ausgerufen. Das erste Middleschool-Team wird auf der Bühne vorgestellt. Eine neue Kategorie ist dabei, die ferngesteuerten Rover, die vor allem Jesco sehr inspirierten.
Dann trifft alle der Schlag! Unser Name wird aufgerufen. „Space Education Institute“ has won the „Most Improved Award“. Cosma sprintet völlig überrascht nach vorn und nimmt eine große Tafel vom Sponsor in Empfang, reißt sie hoch und der ganze Saal brüllt. Sie ist sehr beliebt unter vielen Teams. Alle die uns trafen zeigten sich erstaunt über die Effizienz des Rovers und des Teams. Zahlenmäßig sind wir wirklich das kleinste Team. Es gibt einen 500-Dollar-Preis dazu und die Freude nimmt nun kein Ende. Das können auch die vielen weiteren Reise nicht mehr herabsetzen. Vor allem zwei Teams aus der Dominikanischen Republik räumen ordentlich und lautstark ab. Auch sie haben unsere DANN. Ich war im Herbst 2019 durch und gab viele Tipps. Das macht stolz – zumal hier auch die lateinamerikanischen Emotionen ein Antrieb sind.
Müde und glücklich geht es im Dunkeln nach Hause. Es gibt Pizza.
technische Erklärung:
Cosma hatte auf dem 2. Rennen immer noch Probleme mit der Vorderachse. Es gab beim Schweißen nach gebrochenem CFK-Antriebsrohr am Tag zuvor eine geringe thermische Verformung der Keilnabe. Es wurde CFK mit einem Stahlrohr ersetzt. Das bewirkte, dass Keilwelle und Keilnabe im Antrieb kaum gleiten konnte. 1-2 hundertstel Millimeter verhinderten ein weiches Gleiten beider Bauteile von wenigen nötigen Millimetern, während die Federung arbeitete. Das bemerkte man schon beim Montieren gestern. Aber für Abhilfe fehlten Fräswerkzeuge oder Schlüsselfeilen. Wir haben es gut eingeölt.
Das Differenzialgetriebe wurde während eines Sprungs im Hindernis 2 aus seiner Kugellager-Fassung gezogen. Deshalb fuhr das Team zwischen Hindernis 2 und dem großen Hügel auffällig langsam. Zum Glück aber fuhr der Rover auch damit noch. Dieser Zustand löste sich erst am großen Hügel, 2 Hindernisse später. Durch das Rückwärts-Rollen renkte sich das von selbst wieder ein. Wir können später mit einem Vergleichsvideo vom Vorjahr exakt ausmessen, wieviel Zeit da verloren ging.
Im Ziel wurde zudem festgestellt, dass die Fahrerin Cosma die Getriebehalterung verbogen hat. Sie hat so viel Kraft aufgewendet, dass dieser Fahler zum ersten Mal auftrat, einem Bauteil das seit 10 Jahren unverändert verwendet wird.
Präzision verzeiht nichts auch nicht auf diesem Wettbewerb. Hier waren es 1-2 Hundertstel Millimeter zu viel an einer einzigen Stelle der Konstruktion. Das ist es, was ich mag. Dieses Rennen verzeiht im Kern keine Fehler. Hier waren es 2-3 Hundertstel Millimeter zu viel an einer einzigen Stelle der Konstruktion.
Die komplette Vorderachse ist im Gegensatz zu den vorigen Rennen von uns ein neu überarbeitetes Teil. Es geht um Gewichtseinsparung und das sollte mit Presspassungen und CFK-Rohr auf eine neue Technologie-Ebene gehoben werden. Es hat noch nicht gereicht. Nun, das Problem ist erkannt und kann beseitigt werden.
Auch fuhren unsere Rover bislang jüngere Fahrer (14-15 Jahre). Corona brachte ein Nachwuchsloch und damit einen Zeitsprung, Cosma ist nun 18 und damit schwerer und kräftiger. Da wirken andere Kräfte, auch emotionale nach einem Leben lang Teilnahme an diesem Rennen von Kind auf.
Hazel und Leander machten aber ihre Sache mindestens ebenso gut. Niemand hätte irgendwas besser machen können - nur mehr Zeit zur Vorbereitung und damit Testmöglichkeiten haben bei all der neuen Paperwork gefehlt.
Der kleine Held des Rennens ist der 11-jährige Jesco. Er hat bewiesen, dass Altersgrenzen kein Hindernis sind, um große Dinge zu vollbringen. Seine Integrität, Begeisterung und die schnellen präzisen Reparaturen haben diesen Erfolg maßgeblich mitbestimmt.
Fazit:
Wir haben das mit einer Mindestbesetzung von 2 Schülern + eine Amerikanerin und dem kleinen Jesco geschafft. Andere Teams waren mit 20-30 Mitgliedern besetzt, weil deren Schulen und Universitäten diesen Wettbewerb mit in ihr Curriculum aufnehmen. 80% dieser Teilnehmer sieht man später in hochwissenschaftlichen und Ingenieurberufen auf leitendem Posten wieder. Wir sind nach 18 Jahren immer noch das einzige Team der EU. Aber es nahmen 13 Nationen teil, von denen alle Nicht-US-Teams von unserem Engagement direkt und aktiv durch Besuche vor Ort inspiriert wurden. Wir müssen unseren Erfolg nun auf die Länder der EU einwirken lassen, gern auch mit einem eigenen Wettbewerb, der ein Steigbügel für dieses Rennen bei NASA werden kann.
Das muss jetzt mit viel Kraft auf Europa angewendet werden. Dazu braucht es potente Partner. Dieser Rennstall kostete uns 50.000 € pro Jahr. Allein ist das nicht zu bewältigen. Wir wünschen uns Signale aus der Politik, um Schulen zur Aufnahme solcher lebenswichtigen Erfahrungen in ihr Curriculum zu bewegen und offenere Arme der Industrie, so etwas ohne Erwartungshaltung finanziell zu unterstützen - egal welche wirtschaftliche Situation uns umgibt. Der Verlust von Generationen und Talenten wiegt schwerer.
Nach 20 Jahren in Huntsville habe ich rund 300 Schüler und Studenten in diese Mondraketenstadt gebracht. Es gab 26 eigene Teams und 130 Teams mit einer Kooperation und unserer DNA. Ich habe 30 Nationen besucht und deren Schüler mit eingebunden. Alle sind nun in wissenschaftlichen und technischen Berufen tätig. Es ist Zeit, einen eigenen Wettbewerb mit „wehtuender Transparenz“ (so sagte es mir Prof. Dr. Jesco von Puttkamer) zu starten und die letzten weißen Flecken auf dieser Welt zu tilgen.
PS: Vielen Dank an Firine Bugenhagen, unsere Pilotin von 2019 (1. Platz). Sie macht dieses Jahr ihren Master in Raumfahrttechnik, nachdem sie sechs Monate an der ERAU verbracht hat. Ihr siegreicher Rover ist im Tiroler Weltraummuseum in Kramsach/Österreich ausgestellt. Aus diesem Land stammt auch ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher. Er wünscht uns schon jetzt viel Glück mit einer freundlichen E-Mail.
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