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Lieber zwei Startabbrüche als ein Fehlschlag!
Two scrubs is a lot less than a failure
03.09.2022, Cape Canaveral, Ralf Heckel
Fotos Cosmas Tagebuch Rovernauts Startberichte Raumfahrt Concret Werner-Heisenberg-Gymnasium
Die Anspannung ist spürbar, eine Menge Druck lastet auf den Ingenieuren an der Startplattform. Wobei die da gar nicht sitzen. Alles ist verkabelt mit Kameras und Sensoren. Die einzelnen Ingenieursteams sitzen weit weg in sicherer Entfernung und können nur versuchen die eintreffenden Daten zu deuten. Niemand darf sich beim Betanken der größten Rakete der Welt nun hier aufhalten.
Während der Tankvorgang im oberen kleineren Sauerstofftank beginnt, ist es auf dem Flugfeld von Titusville noch dunkel. Wir waten durch hohes taunasses Gras zu dem Bussen. Frühes Licht der eintretenden Dämmerung skizziert die leichte Bewölkung am Himmel. Nur weit im Norden türmt sich ein Schwarz auf aus dem es gelegentlich blitzt. Es folgt die gleiche Prozedur wie schon zum ersten Startversuch. Auch wenn wir hier von aller Verantwortung und Druck befreit sind, fällt das alles schwer. Die Müdigkeit ist unser steter Begleiter, trotz genügend Pausen und Schlaf.
Die Sonne begrüßt uns bereits am Zielpunkt Banana Creek. So richtig will das Einrichten auf der Tribüne nicht gelingen. Alles wird heiß und heißer, dabei strahlt die Sonne erst schräg tiefstehend und dann immer höher herein. Henri von unserem Observatorium in Leipzig meldet erhöhre Aktiviäten mit einer Protuberanz die 1/5 der ganzen Oberfläche einnimmt. Und fast so fühlt es sich schon hier an, nun.
Das Licht blendet und macht einen Blick auf die Rakete schwer. Die ist nur eine dunkle Silhouette. Regenschirme versperren die Sicht, weil sich jeder irgendwie gegen die Strahlen unseres Zentralgestirns schützen will. Meine 2 Tshirts und die lange Hose sind schon nass. Die Kameras überhitzen. Nun beneide ich die Fotografen mit ihren langen Canon-en nicht, die mit Klappsitz und Stativ ihre einmal ausgesuchte Position nicht verlassen können. Denn die ist dann von einem anderen besetzt.
Unser Team flüchtet in den Schatten hinter der Tribüne. Den kleinen Jesco hat es schon erwischt. Er liegt flach auf dem Asphalt vor dem NASA-VIP-Schild – und schläft. Es ist 9 Uhr und noch wird das Saturn V Center nicht geöffnet. Dies würde Abhilfe schaffen, da es klimatisiert und überdacht ist. Also nutzen wir die Zeit und machen ein paar Fotos, holen einen Kaffee und betrachten den neuen „Apollo-Tree-Park“ neben dem Saturn V Center. Dies ist eine sauber angelegte runde Anlage auf denen für jede Apollo-Mission eine Platane gepflanzt wurde. In der Mitte befindet sich ein riesiges buntes Apollo-Logo aus Kunstrasen und etwas seitlich steht ein heroisches Monument mit den 3 Apollo -11-Astronauten von denen nun nur oder immerhin noch einer lebt. Der Rasen ist akkurat beschnitten und weich wie ein dicker Teppich.
Der Sauerstoff-Tankvorgang ist abgeschlossen. Nun beginnt der Wasserstoff, die weit größere Menge. Grafiken mit Füllständen werden auf den riesigen Bildschirmen angezeigt. Regelmäßig werden Kommentare der Kommunikation des Wasserstoff-Teams mit dem Flugleiter durch die Lautsprecher gegeben. „Ja, man hat aus gutem Grund die Hosen voll und will ganz sicher gehen...“ – hätte Prof. von Puttkamer nun gesagt. Wir aber suchen Schutz im Saturn V Center das jetzt geöffnet hat und die Schutz suchenden Massen aufnimmt.
Hier unter dieser Saturn V hat alles angefangen. Hier waren Yvonne und ich vor genau 17 Jahren zum ersten Mal VIP-Gast der NASA und es wurde eine Gala zum Start der „Return to flight“ - Mission veranstaltet. Der damalige NASA Administrator Michael Griffin und der Chef der bemannten Raumfahrt und Astronaut William Ready sprachen bewegende Worte. Alle hatten die Bilder der am Himmel auseinanderbrechenden Columbia vor Augen und schwiegen. Neben uns in der Gruppe standen die Mitglieder einer Familie dessen Vater bei dem Sucheinsatz um Wrackteile der Columbia mit seinem Hubschrauber abstürzte. Inzwischen besuchte ich auch die Eltern der damals ums Leben gekommenen indischen Astronautin Calpana Chawla, in Delhi. Wir sind wegen unseres Engagements inzwischen Ehrenmitglieder der Astronaut Memorial Foundation geworden. Deren Ziel ist es Spaceeducation zu betreiben. Mehr dazu noch später.
Beeindruckend ist die Vorführung des Apollo 8 Startes im ehemaligen Mission Control Zentrum. Das ist 4D-Kino mit vibrierenden Scheiben und wackelndem Fußboden. Jim Lovel moderiert am Bildschirm als alter Mann, während meine 15-jährige Tochter Cosma das 40 Jahre ältere Puttkamer-Buch „Apollo 8“ in der Hand hält, halb durchgelesen. Ob diese Zusammenhänge alle da oben jetzt ankommen? Die Berichte werden es zeigen.
Als wir wieder heraustreten schlägt uns warme Luft wie eine Keule entgegen. Es ist kurz vor 11 Uhr, meine Kameras beschlagen sofort und es wird verkündet, dass das Wasserstoff-Team dem Startleiter den Abbruch empfiehlt. Der aber lässt mit einer Antwort auf sich warten. Zwar leeren sich bereits die Sitzplätze, aber andere bleiben wiederum trotzig sitzen.
Inzwischen steht sie Sonne so hoch, dass die Rakete auch von unserer Seite etwas angestrahlt wird. Also nutze ich die Zeit für letzte Fotos mit Rakete und unseren Schülern. Dabei gelingen die besten Fotos. Doch es kam die Durchsage die kommen musste. Um 11:18 Uhr wurde der Abbruch verkündet. Manche Gesichter sehen nun wieder enttäuscht aus, andere nehmen es gelassen, haben ein dickes Fell.
Nun spult sich wieder alles rückwärts ab und gegen 14 Uhr sitzen wir im Business-Bereich unseres Hotels und schreiben Berichte. Aber eines ist auffällig anders. Noch 2005 lästerte die USA Today bei jeder Startverschiebung mit Karikaturen wie „Gesundheit“. Das alles ist vorbei. Nicht nicht, dass es sowieso keine Tageszeitungen aus Papier mehr in den Hotelrezeptionen gibt, sondern grundsätzlich. Dabei ist unser Hotel schon eines der Besten. Hier residiert die japanische Raumfahrtagentur JAXA mit ihren Mitarbeitern, dem Präsidenten und einem Astronauten.
Nein, Amerika steht geschlossen hinter der heutigen Entscheidung. Orlando-Sentinel-Online zitiert NASA Administrator Bill Nelson: „Lieber zwei Startabbrüche als ein Fehlschlag“.
Im Gegensatz zu diesen Nachrichten hier stehen die internationale Kommentare, von der uns nur höhnische bis lästernde Reaktionen erreichen. Man urteilt über diese größte auf dem Erdboden stehende Rakete die je gebaut wurde wie als müsse man eine Bewertung für einen gerade bei Amazon gekauften und schon wieder kaputten Billigartikel urteilen. Der Austritt aus dieser virtuellen Meinungsblase einer „Masse ohne jede Ahnung“ war der Grund der Einladung der NASA zu diesem Teststart. Dieser hat 5 Versuchsperioden von denen die erste Periode es immerhin im 72-stündigen Countdown bis auf – 40 Minuten bzw. -2 Stunden und 29 Minuten schaffte. Wir wissen es nun besser und unsere Aufgabe besteht darin das auch so in unseren Ländern zu sagen. Immer und immer wieder höre ich dabei vor meinem geistigen Ohr den Prof. Dr. von Puttkamer mahnen und nachvollziehbar erklären warum das nun so ist wie es entschieden wurde.
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